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Hier spricht der Gast! FAZ am Sonntag

Hier spricht der Gast:
Das „Poisson“ in Köln
von Jürgen Dollase

Bei unserem ersten Besuch im „Poisson“ vor etwa vier Jahren konnte die Qualität der Gerichte nicht völlig überzeugen. Inzwischen hat der Besitzer gewechselt – und das hat dem Ruf des Hauses Auftrieb gegeben. Das „Poisson“, heißt es, sei ein unkompliziertes Restaurant, dessen Fischgerichte dem entsprächen, was sonst in der Sterneküche geboten werde. Das klingt, als setze auch der neue Chefkoch auf das frühere Konzept.

Erhalten geblieben ist in dem Haus nahe dem Kölner Neumarkt zumindest die Inneneinrichtung: eine offene Küche, kleine Tische, die so nah beieinander stehen, wie es sich für ein Bistro gehört. Die Gäste wissen zu schätzen, dass problemlos auch nur ein einzelnes Gericht mit einem Glas Wein bestellt werden kann. Das Spektrum des Angebots reicht vom Snack bis zum eleganten Menü, eine Reihe von Champagnersorten inbegriffen. Neuer Chef ist der 44 Jahre alte Ralf Marhencke, der zwar nicht auf Stationen bei berühmten Kollegen verweisen kann, aber schon in aller Welt Erfahrungen sammeln durfte. Was er dabei gelernt hat, stellt er nun im eigenen Restaurant unter Beweis.

Typisch für Marhencke scheint das in der Würze leicht individuelle, stets harmonische und süffige Geschmacksbild seiner Gerichte. Das beginnt bei der Garnele mit Melonenstückchen, Chili, Knoblauch und Pesto als Amuse bouche. Die nicht besonders ausgefallene Kombination funktioniert im „Poisson“ auffallend gut, weil sich Marhencke nicht nur auf den Kontrast von Süße und Schärfe verlässt, sondern mit dem Pesto einen wichtigen aromatischen Zwischenträger benutzt, der alles bestens zusammenhält. Mit dieser gekonnten Würze warten auch die „gebratenen Jakobsmuscheln, geschmorten Linsen und indischen Aromen“ (18 Euro) auf. Die zwei mittelgroßen Muscheln liegen auf al dente gegarten Linsen, die mit einigen Gemüsestückchen recht bodenständig schmecken, sich aber gut mit dem Tandoori-Schaum rundum vertragen. Dieser Schaum erweitert das Aromenspektrum, während der Akzent trotz der kräftigen Würze klar auf den Muscheln liegt.

Könnte es sich bei der „Krustentierschaumsuppe mit Ravioli und Burger vom Taschenkrebsfleisch“ (16 Euro) etwa um einen Gag aus der Zeit des Kochs in Amerika handeln? Die Sorge ist unbegründet: Die klassisch gehaltene Suppe (in Frankreich „Bisque“ genannt) wirkt nicht banal sahnig-süß, sondern gewinnt Substanz durch herbere Noten. Auch die Röstaromen beim dezent angebratenen Burger geraten nicht außer Kontrolle, so dass wieder das dichte Spektrum von Aromen entsteht, das für die Küche charakteristisch ist. Ungewöhnlich vor allem das feine, unterschiedliche Abschmecken des Taschenkrebsfleisches (unter anderem mit Kräutern) für die Ravioli-Füllung und den Burger.

Am schwächsten fallen die „Medaillons vom schottischen Seeteufel mit Vongole, Safran-Paella-Risotto und Chorizo“ (27 Euro) aus. Der etwas elastische, in der Mitte noch leicht glasige Fisch schmeckt zwar nicht schlecht, könnte aber heller und zarter sein. Äußerst zurückhaltend geben sich die im Risotto verborgenen Vongole, und auch die Chorizo-Dosierung (einige ganze Scheiben) ist nicht optimal zu nennen, weil die Stücke teilweise zu groß sind und dann zuviel Salz beisteuern.

Ganz hervorragend gelingt hingegen der „bretonische Steinbutt und Foie gras von der Ente, Rahmkohlrabi und zweierlei Saucen“ (35 Euro). Die Kombination von Fisch, Stopfleber, sehr gutem Kartoffelpüree und Spinat schmeckt harmonischer als zunächst anzunehmen. Der Trick besteht wiederum in der perfekten Abstimmung der Feinheiten. Der Fisch zeigt eine schöne feste Textur, die Foie gras eine eher schmelzende. So bleibt sie eine gute, milde Begleitung, die den Fisch niemals dominiert. Dem Kohlrabi fehlt allerdings ein wenig das typische Aroma: Die Würfel sind ziemlich fest und zu wenig durchgezogen, um tatsächlich nach Rahmkohlrabi zu schmecken.

Auch in puncto Wein schlägt sich das „Poisson“-Team sehr gut. Alle Weine, von einem angenehm mineralischen 2007er Riesling „Jodocus“ vom Weingut Jost im Rheingau zu den Jakobsmuscheln bis zu einem körperreichen 2008er Chardonnay von Bellavista in Erbusco (Lombardei) zum Steinbutt, sind eine sinnvolle Bereicherung des Essens. Fazit: Das „Poisson“ ist eine sehr gute Adresse für Liebhaber von Meeresgetier und nimmt offensichtlich Kurs in Richtung Spitzenrestaurant.

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